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Hintergrund


Obschon fast jede/r dritte Einwohner/in in NRW einen Migrationshintergrund hat, sind Menschen mit Migrationsgeschichte deutlich seltener in der Selbsthilfe vertreten. Die gemeinschaftliche Selbsthilfe als Form der Lebensalltags- und Krankheitsbewältigung sowie des bürgerschaftlichen Engagements ist in vielen Kulturkreisen weitestgehend unbekannt. Sprachbarrieren, unzureichende Informationsangebote, Unterschiede in Krankheitsverständnis und Bewältigungsstrategien sowie Diskriminierung können den Zugang zur Selbsthilfe erschweren. Für Selbsthilfeaktive und -unterstützungsstellen ist die interkulturelle Öffnung der Selbsthilfe daher seit vielen Jahren eine zukunftsweisende Herausforderung.


Entwicklungen


Inzwischen blicken wir in NRW auf einen langen Weg zurück, auf dem sich die Selbsthilfe diesem Thema gestellt hat. Landesweite Projekte und Initiativen arbeiten seit vielen Jahren an Strategien und Methoden, die Selbsthilfe kultursensibel zu gestalten, Angebote von und für Menschen mit Migrationshintergrund zu etablieren und Menschen mit Migrationsgeschichte für die Selbsthilfe aufzuschießen.

So zeigt unsere Bestandsanalyse, dass im Jahr 2018 2/3 der Selbsthilfe-Kontaktstellen in NRW die interkulturelle Selbsthilfe situativ oder gezielt zum eigenen Aufgabenportfolio zählten, während das Thema in 2008 von nur wenigen Kontaktstellen erwähnt wurde. Insgesamt 107 spezifische Selbsthilfegruppen für Migrant/innen konnten 2018 erhoben werden. Zudem ist ein deutlicher Anstieg von Menschen mit Migrationsgeschichte in deutschsprachigen Selbsthilfegruppen zu verzeichnen.

Inzwischen gibt es in NRW eine Vielzahl fremdsprachiger Selbsthilfegruppen. In unserer Datenbank „Kontakt zu Selbsthilfegruppen“ wird die jeweilige Sprache angegeben, wenn die Treffen nicht in deutscher Sprache stattfinden.

Mehrere landesweite Projekte in denen sich seit 2008 die Gesundheitsselbsthilfe NRW und ab 2015 die Selbsthilfe-Kontaktstellen dem Arbeitsfeld Migration angenommen haben, wurden inzwischen erfolgreich abgeschlossen. Besondere Erfahrungen konnten dabei u.a. die Selbsthilfe-Kontaktstellen in Bielefeld, Duisburg, Dortmund, Essen, Gelsenkirchen, Köln, Mönchengladbach, Kreis Steinfurt und Kreis Warendorf sammeln.

Auf Bundesebene agieren die Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) und die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V. (BAG SELBSTHILFE) als Unterstützerinnen des Arbeitsfeldes Selbsthilfe und Migration.
 


Arbeitskreis


Innerhalb eines in 2014 abgeschlossenen Projektes „Gesundheitsselbsthilfe NRW und Migration“ konstituierte sich der Arbeitskreis Interkulturelle Öffnung (IKÖ) der Selbsthilfe-Kontaktstellen NRW.  Auch in die Nachfolgeprojekte ab 2015 „Migration und Selbsthilfeaktivierung“ der gem. Gesellschaft für soziale Projekte GmbH des Paritätischen NRW war und ist der Arbeitskreis IKÖ eingebunden. Dieser dient als Forum für fachlichen Austausch und Information in diesem Arbeitsfeld aktiver Selbsthilfe-Kontaktstellen.


Projekte


Das landesweite Projekt „Migration und Selbsthilfeaktivierung“ startete in 2015 in Trägerschaft der gem. Gesellschaft für soziale Projekte des Paritätischen NRW mit dem Ziel, bestehende Angebote in diesem Feld zu bündeln und sichtbar zu machen. Als Projektpartner/innen fungierten das Gesundheitsministerium NRW, die AOK Rheinland-Hamburg und die AOK Nordwest, Der Paritätische NRW, Gesundheitsselbsthilfe NRW, KOSKON NRW, Migrant/innenorganisationen sowie der Arbeitskreis IKÖ der Selbsthilfe-Kontaktstellen NRW. 

Die in 2022 gestartete aktuelle ProjektphaseKultursensible Selbsthilfe: Chancen ermöglichen, Potentiale heben – Anregung und Stärkung gesundheitsbezogener Selbsthilfearbeit“ setzt sich insbesondere die Stärkung von Migrantinnenselbstorganisationen zum Ziel. In ausgewählten Migrantinnenselbstorganisationen sollen sog. Selbsthilfebeauftragte als Ansprech- und Vertrauensperson implementiert werden und den Selbsthilfegedanken nachhaltig verankern. Projektleiterin für "Kultursensible Selbsthilfe" ist beim Paritätischen Lioba Heuel.

Das Projekt des Paritätischen NRW wird flankiert von Formaten wie kollegialen Austauschtreffen, dem Arbeitskreis IKÖ der Selbsthilfe-Kontaktstellen NRW, Fortbildungsangeboten (z.B. "Hürden im Kopf") für Fachkräfte aus Selbsthilfe-Kontaktstellen, Selbsthilfe-Landesverbänden und -organisationen in NRW, aber auch von digitalen Angeboten (z.B. dem „Gedankensalat Podcast“) rund um das Thema Kultur, Migration und Selbsthilfe.

Zwei Projektphasen sind dem vorausgegangen: In einer ersten Phase bis 2017 „Neue Wege zur Selbsthilfe und Impulse für eine kultursensible Selbsthilfe/-unterstützung in Nordrhein-Westfalen“ erprobten die Selbsthilfe-Kontaktstellen Duisburg und Bielefeld als Modellstandorte Maßnahmen der Selbsthilfeaktivierung türkischsprachiger bzw. russischsprachiger Migrant/innen. Fünf weitere Kontaktstellen agierten als regionale Anlaufstellen mit eigenen laufenden Projekten, um die Vielfalt der Methoden und Erfahrungen zu erweitern und den Wissenstransfer in die Region sicherzustellen.

Mit einer Fortsetzung des Projektes von 2018 bis 2021 „Migration und Selbsthilfeaktivierung: Wissenstransfer und Qualifizierung für eine kultursensible Selbsthilfe/-unterstützung“ wurden die in den Modellstandorten gewonnenen Erkenntnisse gebündelt und in die Fläche gebracht sowie Kooperationen mit Selbsthilfe-Kontaktstellen und Selbsthilfegruppen, Migrantenselbstorganisationen, Gesundheitsselbsthilfe NRW und Selbsthilfeorganisationen und -verbänden intensiviert.